Samstag, 20. September 2008

Wie kann Führung aufgrund der sich abzeichnenden Zukunft gestaltet werden?

Um eine Antwort auf diese Frage zu geben, hat Otto Scharmer in den vergangenen 10 Jahren zusammen mit seinem Team am MIT in Boston die sog. "Theory U" und die soziale Technik des "Presencing" entwickelt. 

Energie(mobilsisierung), Emotionalität und (innere) Einkehr sind meiner Einschätzung nach, die Differenzierungsaspekte im Vergleich zu anderen Ansätzen, die sich mit erfolgreicher Führung beschäftigen.
Aber genau das würde ich gerne hier diskutieren: Was macht Ihrer Meinung nach die Theory U aus?

Für alle die, die das Buch noch nicht gelesen und auch noch keine Weiterbildung zur Theory U besucht haben, folgt eine Zusammenfassung dessen, was ich bisher verstanden habe.
"Presencing" ist ein zusammengesetzter Begriff, der die soziale Technik des hineinspürens (= sensing) in die Gegenwart/Anwesenheit (= presence) beschreibt. Das Vorgehen in 5 Schritten ist grafisch darstellbar als ein U. Es geht darum
  • sich erstens auf eine gemeinsame Intention zu verständigen.
  • Alle Beteiligten (auch die Führungskraft) sammeln dann an den Orten des Geschehens so urteilsfrei wie möglich Informationen bevor
  • jeder sich zurückzieht, damit vor seinem inneren Auge eine potenzielle Zukunft entstehen kann.
  • Wieder gemeinsam wird daraufhin experimentiert und es werden Prototypen entsprechend der Zukunftsvisionen gestaltet.
  • In der letzten Phase werden für die robustesten Entwicklungen schnellballartig weitere Unterstützer gesucht, damit die Idee in der Welt verbreitet werden kann.

Eine Führungskraft muss nach Scharmer über 7 Kernfähigkeiten verfügen, um den U-Prozess anleiten zu können:

  • Zu Beginn des Prozesses sich selber mit seinen Ideen auch zurückhalten können und den anderen genügend Platz lassen, das Ziel zu entwickeln.
  • Die Informationssammlung am Ort des Geschehens ist umso besser je mehr der Einzelne seine inneren Stimmen auch mal „ausschalten“ kann. Insbesondere die sog. innere Stimme der sofortigen Beurteilung, die innere Stimme des Zynismus und die innere Stimme der Angst. „Open (your) Mind“ empfiehlt Scharmer den Führungskräften und verbindet damit die Empfehlung, die Informationssammlung weniger auf vorangegangenen Erfahrungen als vielmer auf neuen Fragen aufzubauen und sich selber in einen Zustand des Staunens zu versetzen.
  • Bei der Informationssammlung geht es nicht nur um Zahlen, Daten, Fakten sondern auch um ein „erspüren“ des Ganzen. „Open (your) Heart“ ist der Apell, den Scharmer hier formuliert.
  • Kurz vor dem und am Wendepunkt des U schliesslich spricht Scharmer vom „Open Will“, der nötig ist, damit jeder Einzelne inne halten und die entstehenden Zukunft wahrnehmen kann.
  • Dieser „Open Will“ ist es auch, der die Gruppe im Anschluss befähigt, die einzelnen Zukunftsvisionen mit der gemeinsamen Intention zu verbinden und Energie freizusetzen. Scharmer zitiert hier M. Mead: „Bezweifle nie, dass eine kleine Gruppe von engagierten Bürgern die ganze Welt verändern kann“.
  • In der folgenden Phase der Prototypengestaltung ist die Verbindung von Kopf, Herz und Hand notwendig. So wie es auf der linke Seite des U darum ging, die inneren Stimmen der Beurteilung, des Zynismus und der Angst zu überwinden, so geht es auf der rechten Seite darum, improvisierend und achtsam zu handeln, wirklich etwas zu tun (statt gefangen zu sein im ständigen Analysieren ohne anschliessende Aktion) und mit Bezug zur Intention und zu den anstehenden Handlungen zu kommunizieren (anstatt in ein „bla bla“ zu verfallen).
  • Um schliesslich etwas Neues in die Welt zu bringen, müssen „die“ Beteiligten zusammengebracht werden, die gemeinsam Veränderungen vorantreiben können. Und zwar so, dass sie mit ihren unterschiedlichsten Ansichten nicht endlos diskutieren sondern wirklich beginnen, etwas zu tun.
Das Buch zur Theory U ist in englischer Sprache 2007 erschienen (ISBN: 978-0-9742390-5-7) und wird wahrscheinlich 2009 in Deutsch erhältlich sein. Im Netz sind aktuelle Interviews und Veröffentlichungen oder Weiterbildungsangebote von Otto Scharmer
zu finden. Dort gibt es auch einen Blog von ihm selber und/oder er ist live zu erlebt (z.B. im global classroom).

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